SchreibmotorikGRUNDLAGEN – 3. Automatisierte Bewegungen

Automatisierte Bewegungen

Automatisierte Bewegungen

Automatisierte Bewegungen sind durch eingipflige und gleichmäßige Geschwindigkeitsverläufe je Bewegungsabschnitt gekennzeichnet. Beim Schreiben kann eine solche Bewegungseinheit als ein Auf- oder Abstrich angesehen werden (vgl. Mai&Marquardt, 1995).

In der nebenstehenden Graphik ist das automatisierte Schreiben der Buchstaben “ll” dargestellt. Durch rote Markierungen ist jeweils ein Aufstrich im zweiten „l“ gekennzeichnet (A). Der zugehörige Geschwindigkeitsverlauf vy (B) zeigt den zugehörigen typischen glatten, eingipfligen und symmetrischen Verlauf, und im Beschleunigungsprofil ay (C) ist eine gleichmäßige Beschleunigungs- und Bremsphase zu erkennen.

Diese Art der Bewegungsausführung ist maximal effizient und gleicht dem freien Schwingen eines Pendels. Als einfaches quantitatives Maß zur Beschreibung des Automations­grads einer Bewegung bietet es sich deshalb an, bei je einem Auf- oder Abstrich die Anzahl der Unregelmäßigkeiten im Geschwindigkeitsverlauf zu zählen (siehe “NIV”).

Betrachtet man die Geschwindigkeits- und die Beschleunigungsverläufe bei wiederholten Schreibbewegungen, so fällt eine extrem hohe Wiederhol­genauigkeit auf. In den übereinander gezeichneten Geschwindigkeits- (B) und Beschleunigungsprofilen (C) ist zu erkennen, dass die charakteristische Ausführung der Schreibbewegung in Bezug auf die zeitliche Struktur als auch die Form der Kurven über die drei Durchläufe perfekt erhalten bleibt.

Automatisierte Bewegungen unterliegen wegen ihrer hohen Geschwindigkeit während der Ausführung nicht mehr der willkürlichen Kontrolle. Das Auge kann Wechselbewegungen von maximal 1.5 Hz folgen, automatisierte Schreibbewegungen sind aber etwa 5 Hz schnell (5 Auf und Abstriche pro Sekunde). Automatisierte Bewegungen müssen also bereits vor ihrer eigentlichen Ausführung vollständig geplant und programmiert werden. Schnelles Schreiben, wie auch alle anderen automatisierten Bewegungen, wird also durch die Qualität der motorischen Programme kontrolliert und nicht durch bewusste Bewegungskontrolle. Dies ist ein auch wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von schneller Handschrift. Während des Erstschreibunterrichts wird geradezu ein Übermaß an bewusster Bewegungskontrolle induziert, was einer späteren Beschleunigung der Schrift dann im Weg stehen kann.  

Nicht automatisierte Bewegungen

Im Gegensatz zu den schnellen, und im Detail nicht mehr kontrollierbaren, schnellen Schreibbewegungen stehen langsame und genauigkeitsorientierte Zeichenbewegungen. Solche Nachführbewegungen sind durch einen ständigen visuellen Abgleich zwischen Soll- und Istwert gekennzeichnet.

Im nebenstehenden Beispiel hat ein Schreiber zunächst mit normaler Schrift die Buchstaben „a“ geschrieben und dann genau nachgezeichnet. Die Schriftform schaut in beiden Fällen sehr ähnlich aus. Für das automatisierte Schreiben ergeben sich die gewohnten glatten und regelmäßigen Geschwindigkeitskurven (A). Hingegen kann man beim Nachzeichnen im zugehörigen Geschwindigkeitsprofil die vielen unregelmäßigen Beschleunigungs- und Bremsvorgänge erkennen (B). Für das Nachzeichnen wird etwa sieben Mal soviel Zeit benötigt.

Unregelmäßigkeiten und oftmaliges Bremsen und Beschleunigen sind typisch für alle nicht-automatisierten Bewegungen. Bei diesen Bewegungen wird die Muskulatur mehrmals pro Bewegungsabschnitt aktiviert. Im Vergleich zum normalen Schreiben wird beim Nachzeichnen die mehrfache Zeit benötigt. Nicht-automatisierte Bewegungen sind typisch für ungelernte Bewegungen oder für Bewegungen unter extrem hohen Genauigkeitsanforderungen. Nicht-automatisierte Bewegungen unterliegen damit völlig anderen Kontrollmechanismen wie automatisierte Bewegungen. Deshalb lernen Kinder durch das Üben von langsamen Zeichenbewegungen nicht zwangsläufig die Bewegungsdynamik von schnellem Schreiben.

Abbildung: Unterschiedliche Bewegungen beim Schreiben und beim Nachzeichnen der gleichen Buchstaben.

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