SchreibKOMPETENZ – 2. Lineaturen

Probleme der Schreiblineaturen

Lineaturen überfordern und frustrieren

Alle Kinder einer 1. Jahrgangsstufe mussten zum gleichen Zeitpunkt einen Text abschreiben, ein Bild dazu malen und ihren Namen darunter schreiben. Aus dem Klassensatz wurden exemplarisch zwei gelungene und zwei auffallende Beispiele von Buben bzw. Mädchen gegenübergestellt. Die unterschiedlichen Schreibkompetenzen bei der Bewältigung dieser Aufgabe sind offensichtlich:

Einmal gut lesbar und exakt eingefügt in die 4er-Lineatur, zum anderen eine komplette Überforderung mit dem Aufgabenformat. Man fühlt mit Daniela, mit welcher Anstrengung sie die Schreibaufgabe bewältigt haben. Interessant auch, dass die Namen in Großbuchstaben geschrieben werden.

Daniela wählt für ihren Namen den freien Schreibraum. So fällt es ihr leichter, die Großbuchstaben ausgewogen in der Größe und Abstand zu schreiben. Viele weitere Beispiele ließen sich als Beleg für die Schwierigkeiten mit einer Lineatur aufführen.

Lineaturen verhindern automatisierte Schreibprozesse

Ob zwischen begrenzten Linien  – mit DIN Norm 2005 auf ein einheitliches Lineatursystem der Schulhefte gebracht – einfache Striche gespurt oder Buchstaben geschrieben werden, die Schreibmotorik verändert sich nachhaltig, auch bei routinierten erwachsenen Schreibern. Es kommt neurologisch zu einem Wechsel von automatisierten zu kontrollierten Schreibbewegungen mit nachweislich verschlechterten kinematischen Schreibprozessen, so die Schreibmotorikforschung.

Die unterschiedlich konturierten und strukturierten Sonderlineaturen der Schulhefte erleichtern zwar die visuelle Orientierung innerhalb des Liniensystems und vergrößern den Zeilenabstand, führen aber immer zu stark verlangsamten Schreibbewegungen. Langsames Schreiben wird dann, weil gut lesbar, als zielführend bewertet. Kinder mit Förderbedarf in der Schreibmotorik wie Markus oder Sina, brauchen aber zunächst einen großen Schreibraum. Generell stagniert die Schreibentwicklung und damit die Förderung automatisierter Schreibprozesse. 

Normierte Lineaturen anders verwenden

Eine kreative Lösung findet für sich dieser Drittklässer. Er sieht die eigentliche Lineatur als Abtrennung und wählt seinen Schreibraum (blaue Pfeile). Nur einmal benutzt er für die Schreibübung „H, h“ die vorgesehene Lineatur (grüner Pfeil).

Der Schreibprozess stagniert in den Lernphasen oft beim Wechsel von der Druckschrift zu einer verbundenen Ausgangsschrift. Die normierten Lineaturen als Orientierung für die Anbindung zum nächsten Buchstaben und Einhaltung der Größenverhältnisse von Buchstaben mit Ober- und Unterlänge sind insbesondere für Kinder mit Schreibproblemen wenig hilfreich.

Schreibräume falten, in verschieden große Schreibräume spuren und schreiben

Ein Blatt 1-mal oder mehrfach über die Mitte gefaltet bietet Schreibräume mit  oberer Faltlinie als Bug oder umgedreht als Fuge. Die Bugvariante bietet einen spürbaren Widerstand im Schreibraum. Für Kinder in der Schreiblernphase und Kinder mit erhöhter schreibmotorischer Schwierigkeit sind gefaltete Schreibräume zielführender.
Die mit Textliner markierte Doppellinie ist der eigentliche Schreibraum der Lineatur 3.

Die roten Pfeile zeigen wie die Schreibräume anders verwendet werden können. Erfahrene Lehrpersonen verzichten ganz auf Schreiblernhefte, üben auf Blankovorlagen oder verwenden die Lineatur 4 mit nur einer Orientierungslinie.  

Auch Schreibräume brauchen Raum

Schreibräume sind auf Arbeitsblättern oft viel zu eng. Dieses Kind schreibt in seiner Schriftgröße und sucht jeden freien Platz für seine Antworten. Die Anforderungen für das Schreiben in verschiedenen Fachbereichen muss die individuelle Schreibtechnik der Kinder beachten.

Schreibmotorisch schwächere Kinder schreiben überwiegend aus der Handbewegung heraus. Auch dies bedingt einen größeren Schreibraum. Erst mit zunehmender Geschicklichkeit der Fingerbewegungen wird ihre Schrift dann auch kleiner ausgeführt werden können.

Die Lineatur als Maß für „schön“

Bei einem Lernwörterdiktat oder oder anderen Lernzielkontrollen sollte die ganze Aufmerksamkeit auf der Rechtschrift oder der richtigen Antwort liegen.

Werden dabei Lineaturen verwendet, zwingen diese wie in diesem Fall aber gleichzeitig zum erwartet „schönen“ Schreiben. Dieses Schönschreiben erfolgt unter diesen Bedingungen ausschließlich mit kontrollierten Bewegungen, die viel Aufmerksamkeit benötigen. Für die Rechtschreibung und die Inhalte sind dann aber nicht mehr genügend Aufmerksamkeitsressourcen vorhanden. Probleme mit der Rechtsschreibung können dann durch die nicht ausreichend entwickelte Schreibmotorik induziert werden.

Karierte Schreibfallen

Jede Schreibaufgabe sollte gerade in der Phase des Schreiblernens schreibtechnisch bewältigt werden können. Das Kind war mit dem Abschreiben eines Merksatzes von der Tafel überfordert. Der abschließende Tipp in grüner Schrift seiner Lehrerin ist unangemessen. Dem Kind wird Unmögliches abverlangt, wenn es Ziffern, Buchstaben und Wörter lesbar in diese kleinen Karofelder einfügen und den Merksatz auch noch unterstreichen soll. Der Umweg bei der Unterlänge des Buchstaben “g” zeigt, dass das Kind auch hier alles richtig machen will.
Zum Glück gibt es keine „Groß- und Kleinziffern“ wie bei den Buchstaben.

 

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