SchreibKOMPETENZ – 3. Verbundenheit

Verbundene Schreibschriften - hemmen das Schreibenlernen

Fehlentwicklungen in verbundenen Ausgangsschriften

Der Weg zu einer gut lesbaren individuellen Handschrift erfolgt in den Bundesländern unterschiedlich. Die Kinder erlernen zunächst die Druckschrift, dann eine der drei Schulausgangsschriften. Sie alle müssen verbunden geschrieben werden. Eine Ausnahme in Konzeption und Methodik ist die Grundschrift (GS) als weitere Ausgangsschrift.

Die SchreibmotorikForschung und die Datenerhebung von gescheiterten Schülerschriften mit dem Programm CSWin zeigen ein ganz anderes Bild. Verbundene Schriften lassen sich nur schwer beschleunigen, neigen zu Verformungen und kuriosen Anbindungen, die Lesbarkeit leidet, der Schreibdruck von Finger und Hand erhöht sich oft dramatisch. Häufig sind Kinder mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben von schreibmotorischen Schwächen betroffen. Ihre Schrift scheitert auch an der eingeforderten Schreibmethodik, die Buchstaben verbinden zu müssen, Konzepte hinsichtlich einer hilfreichen Schreibtechnik fehlen.

Ungünstige Buchstabenverbindungen
- behindern das SchreibenLernen

Das Schriftbild von Phillip, 5.Jgst.,Realschule, wirkt hektisch und zerfahren. Seine Schreibbewegungen gehen blitzschnell immer wieder zum bereits geschriebenen Buchstaben zurück und beginnt mit dem Anstrich des nächsten Buchstabens. Die gelernte Ausgangsschrift (LA) ist dreigliedrig, Anstrich-Buchstabe-Verbindungsstrich und dies setzt er auch konsequent beginnend mit dem Anstrich um. Er führt keine Luftsprünge durch, um von einem Buchstaben zum nächsten zu kommen.
Die kinematischen Analysen mit dem Programm CSWin zeigen seine ausgezeichneten schreibmotorischen Fähigkeiten. Phillip schreibt das Wort in 5,46 sek sehr schnell (4,31Hz), der gesamte Bewegungsablauf erfolgt zu 100% automatisiert (NIV 1,0) und mit einem federleichten Schreibdruck (0,43N). Der Zwang zur Buchstabenverbindung führte zu seiner Schreibtechnik. 

Phillip bestätigt mit „Salto“ seine gefestigte schreibmotorische Kompetenz: Geschwindigkeit (4,31Hz), 93,8% im Bewegungsablauf automatisiert (NIV 1,13), mit einem leichten Schreibdruck (0,69N). Seine Schreibtechnik wird massiv durch den Verbindungszwang behindert.

Phillip verfügt über automatisierte Grundbewegungen (Handgelenk, Finger, Kringel), als Voraussetzung für seine schnell gespurten Linksovale. Diese setzt er auch zwischen „a“ und „l“ als schnell ausgeführte Luftbewegung (s. Lupe, rote Linie) ein und bleibt so in der vorwärts gerichteten Schreibbewegung.  Dieses richtige Schreibkonzept hat er aber noch nicht verinnerlicht. Aus dem Anstrich zum „a“ und zum „o“ holt er sich sichtbar Schwung, „l“ und „t“ baut er zusätzlich ein Schwungoval ein. Dies führt dann unweigerlich zu Leseschwierigkeiten und Fehlformen. Diese schnellen Bewegungsphasen lassen sich durch Luftsprünge auffangen und ggf. weiter beschleunigen.

Die Unterbrechungen (s. Abb. Druckverlauf) entlasten gleichzeitig die Handmotorik entscheidend und baut Ermüdungen der Schreibhand vor.

Entgleiste Schreibschrift bei beschleunigtem Schreiben

Vor jeder Schreibprobe mit CSWin werden die Wörter rechtschriftlich gesichert und die Buchstabenfolge mehrfach memorisiert, um mögliche Ablenkungen beim Schreiben zu vermeiden. Manuel, Schüler der 5. Klasse der Realschule, schreibt seine drei „Tiger“ in Lateinischer Ausgangsschrift mit guten kinematischen Werten: 3,40 Hz schnell, zu 73,1% automatisiert (NIV=1,85) und perfektem Schreibdruck (0,85 N).

Seine entwickelte Schreibtechnik lässt eine schnellere Schreibung kaum zu. Manuel verwendet keine Luftsprünge zur Buchstabenanbindung, bleibt mit dem Stift immer auf dem Papier und versucht mit Deckstrichen und Wiege- und Schlaufenbewegungen seine Schreibdynamik zu beherrschen. Seine Luftbewegungen sind nahezu doppelt so schnell wie auf Papier und zielgenau gesteuert.

Schreibbeschleunigung - wie sich die Schrift verändert

Leon, 6.Jgst. Realschule, schreibt ohne Unterbrechung so schnell, dass er den motorischen Verlauf der Buchstaben nicht mehr mit den Augen mitverfolgen und kontrollieren kann. Wie die SchreibmotorikForschung erklärt, können die Augen nur langsame, engmaschige Schreibbewegungen bis ca. 1,5 Hz kontrolliert und kontinuierlich mitverfolgen. Schnellere Bewegungen entziehen sich der Kontrolle, werden dann von motorischen Programmen übernommen und erfolgen gesteuert automatisiert.
In Zeitlupe sind die automatisierten, aber eigenwilligen Bewegungsabläufe und die Luftbewegungen des Stiftes als gepunktete Spur, leichter zu verfolgen.

Die Bewegungsverläufe beim Schreiben des Worts “Geisterbahn” sind dann schon vertrauter. Die Bewegungsrichtung bei „i“,“s“, „t“, „r“ erfolgt immer konstant von unten. Das eigenwillige „e“ist nur einmal geschlossen. Das Linksoval für „a“ ist beibehalten, die „e-Bewegung“ erfolgt immer in Schreibrichtung. Das „r“ entgleist vollkommen, ähnelt dem „c“, wird aber auch von unten geschrieben. Die Luftbewegungen sind schnell und steuern in der Regel den nächsten Buchstaben auf schnellstem Weg an.

Die Richtungspfeile wurden auf den vergrößerten Schriftzug auf Papier eingetragen.

Die erhobenen kinematischen Daten mit  CS-Win belegen Leons schreibmotorische Fähigkeiten. Die Geschwindigkeiten (3,69 Hz bzw. 4,56 Hz) sind beachtlich und liegen schon im Bereich des Höchstwerts (4,0 Hz – 6,0 Hz) von routinierten Schreibern. Automatisiert geschrieben sind in „Regenschirm“ 73,7% zu 94,7% in „Geisterbahn“. Die Geschwindigkeiten auf Papier und in der Luft erfolgen etwa gleich schnell. Der durchschnittliche Schreibdruck (1,38 N „Regenschirm“ bzw. 1,21 N „Geisterbahn“) liegt nur leicht über dem Normalwert von 1,00 N.

Leon hat in der 3. und 4. Klasse keine Unterstützung beim schnelleren und effizienteren Schreiben erhalten. Deshalb hat er selbst versucht, die gelernte Ausgangsschrift (VA), so zu ändern, dass er schnell und ermüdungsfrei schreiben kann.

Der Buchstabe “R” in “Regenschirm” ist aus kinematisch-motorischer Sicht perfekt automatisiert. Die Bewegungsrichtung erscheint kurios. Die gelben Pfeile zeigen den Beginn von unten nach oben. Die rote Linie setzt den Verlauf fort.

Leon steht exemplarisch für viele Kinder, die in der 3. und 4. Klasse keine Unterstützung beim schnelleren und effizienteren Schreiben erhalten.

Ähnliche Schreibungen wie im Beispiel „Anorak“ sind häufig zu sehen. Die Buchstaben stehen unverbunden und leicht nach rechts geneigt. Die Bewegungsrichtungen sind unklar, die Strichführung erfolgt häufig von unten, Linksovale werden nach rechts gespurt, Buchstaben in Verbindungen sind komplett verformt und kaum lesbar.
Leon`s Texte oder Antworten in Lernzielkontrollen waren für seine Lehrer und Lehrerinnen schwer lesbar. Nicht-lesbares wurde als Fehler gewertet und der Teufelskreis aus guter Veranlagung und schlechten Rechtschreibleistungen war geschlossen.
Während seiner Schreiblernphase und auch später hat keine Lehrperson auf seine ungewöhnlichen Schreibbewegungen reagiert. Seine besorgten Eltern haben rechtzeitig eine externe Förderung seiner Schreib- und Rechtschreibfähigkeiten in die Wege geleitet.
Kinematische Analysen mit dem Programm CSWin zeigen gleich einem Röntgenfilm nicht nur die Stiftbewegungen auf dem Papier und in der Luft, sondern vermessen alle schreibmotorischen Bewegungsabläufe nach Geschwindigkeit, Beschleunigung, Druck und Automatisationsgrad. Erst in der Analyse zeigt sich, ob auch die schnellen Luftbewegungen effizient in der sichtbaren Spurbewegung weiterlaufen oder ob der Zwang zum verbundenen Schreiben die Schreibentwicklung eigentlich hemmt.

Wenn Anbindungsversuche scheitern

Dominik, ein Schüler der 4. Jahrgangsstufe einer Grundschule, hat Schwierigkeiten bei der Umsetzung der geforderten Schreibtechnik der vereinfachten Ausgangsschrift. Er schreibt jeden Buchstaben einzeln und hat Probleme, sie miteinander zu verbinden. Seit zwei Jahren hat er Schwierigkeiten damit, die Schreibanforderungen zu erfüllen und eine flüssig lesbare verbundene Schrift zu schreiben.

Schreibtechnische Hürden in den Ausgangsschriften sind anfällig in der methodischen Umsetzung. Oftmals sind es methodische Kunstfehler, die Kinder an ihren Schriften scheitern lassen.

Dominik schreibt in seinem Duktus und versucht seine Buchstabenverbindungen anzudeuten. Auf den ersten Blick oft gar nicht zu sehen. Die Anbindung „rk“ ist nicht zu sehen. Sie erfolgt exakt nach der Luftbewegung zwischen den Buchstaben.

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