SchreibPROBLEME – 4. Schreibprobleme bei Kindern

Schreibprobleme bei Kindern

Probleme im Kindergartenalter

„Malen ist doof!“ ist eine typische Aussage von Kindern, die oft noch Schwierigkeiten in der Handmotorik zeigen. Um Misserfolge zu meiden, versuchen Kinder Mal- und Bastelarbeiten zu meiden. Ggf. schwach entwickelte motorische Fähigkeiten werden damit noch schwächer. Aber die motorische Entwicklung ist essentiell für die kognitive Entwicklung – und ein Zusammenhang zwischen Lernleistung und Handschreibfähigkeiten ist nachweisbar.

Die kindliche motorische Entwicklung folgt bestimmten Meilensteilen. Wie und wann genau das Kind aber bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten erwirbt, ist sehr individuell. Hier gibt es eine große Spannweite von natürlichen Abweichungen, welche vom sozialen und kulturellen Kontext, in welchen Kinder aufwachsen, geprägt ist. Häufig sind auch Geschlechtsunterschiede zu bemerken (z.B. Jungen interessieren sich für Stifte und Malen oft erst später als Mädchen). Eine Diagnose bzgl. motorischer Entwicklungsstörungen sollte deswegen in der Regel nicht vor dem Alter von 5 Jahren gestellt werden (AWMF Leitlinie UEMF, 2020).

Motorische Entwicklung der Hand

Folgende wichtige Meilensteine der motorischen Entwicklung der Hand (vgl. Largo 2000, Widmann-Rebay von Ehrenwiesen 2008), die bis zum Schuleintritt erfolgen sollten, geben eine Orientierung und sollen hilfreich sein, um gravierende Auffälligkeiten schneller feststellen zu können:

  • differenzierte Griffe (z.B. Grobgriff, Pinzettengriff, Zangengriff)
  • Werkzeuggebrauch (z.B. Verwendung von Essbesteck, eines Kamms)
  • In-Hand-Manipulationen (Transport von kleinen Gegenständen in die Handfläche)
  • Entwicklung von räumlichen Beziehungen
  • Erfahrung unterschiedlichster taktiler und propriozeptiver Sinnesreize
  • Entwicklung einer Handpräferenz (ca. 3.-5. Lebensjahr, sollte spätestens im Vorschulalter festgelegt werden)
  • Zunahme komplexerer Leistungen (z.B. Schneiden mit Schere entlang einer Linie, Knöpfe öffnen und schließen, Schuhe binden, Bauen mit Duplo-/Legosteinen, Auffädeln von Perlen, Reißverschluss bedienen, Falten von Papier, Stifte anspitzen, Nutzung unterschiedlichster Stifte und Pinsel)

Die Kritzelphase

Ein sehr wichtiger Schritt im Kindergartenalter in Richtung Entwicklung des Schriftspracherwerbs, stellt die Kritzelphase dar. Allen Kindern gemeinsam ist die Freude an der Bewegung, die beim Führen eines Stiftes erfahren wird. Eine „dauerhafte Spur“ wird hinterlassen.

Ein erstes Kritzeln findet meist im Alter von 1,5-2 Jahren statt. Der Stift wird anfangs noch im Faust- oder Pfötchengriff gehalten. Stifte und Materialien unterschiedlichster Art werden ausprobiert – unterschiedliche Kritzelarten (z.B. Meyers 1967, Kellog 1959) werden entdeckt und kombiniert und im späteren Verlauf kommentiert und benannt.

Im weiteren Verlauf wird häufig das Schreiben von älteren Kindern oder Erwachsenen wird mit Schreibkritzeln nachgeahmt. Schreib- und Zeichenbewegungen stehen dabei immer im Vordergrund. Die Stifthaltung entwickelt sich langsam zu einem dynamischen Dreipunktgriff (Griff mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger).

Kritzeln und Stifthaltung mit etwa 2 Jahren

Mit dem 3./4. Lebensjahr sind die Kinder fähig Punkt, Kreis/Ovale, Striche und weitere Kritzelzeichnungen mit Darstellungsanteilen zu produzieren. Oft tauchen auch schon Formen, wie Rechtecke, Quadrate und Dreiecke auf und das Repertoire an dargestellten Gegenständen nimmt – häufig auch sehr sprunghaft – bis zur Einschulung immer weiter zu (vgl. Brügel, 2012; Barkow 2013).

Hiebkritzeln

Kreiskritzeln

Schreibkritzeln beim Spiel „Kinderpost“

„Müffelmonster“

Erkennen Eltern, oder auch ErzieherInnen insbesondere in der Vorschulzeit Probleme in den aufgeführten Fertigkeiten, so ist es sinnvoll dies beim Kinderarzt anzusprechen und einen geschulten Therapeuten aufzusuchen. Dieser hat dann die Möglichkeit gezielt zu überprüfen, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten des Kindes vorhanden sind und wo ggf. noch Unterstützung notwendig ist. Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die präventiv verändert werden können, um einen guten Schulstart des Kindes zu ermöglichen.

Die folgenden Beispiele zeigen Möglichkeiten, das experimentelle Verhalten und motorische Grundkompetenzen von Kindern zu fördern. Hierbei kommt es darauf an, dass einzelne Bewegungen nicht isoliert bis zur Perfektion wiederholt und eingeübt werden, sondern dass Bewegungen in verschiedensten Situationen variiert werden (siehe auch motorisches Lernen (link)) (vgl. Brügel 2012):

  • Stifte und Materialien so aufbewahren, dass Kinder jederzeit Zugang haben, um sich auszuprobieren; ein Bastelwagen hat sich hier sehr bewährt
  • unterschiedlichste Materialien in verschiedensten Farben und Formen anbieten: dies können auch Rückseiten von beschriebenem Papier sein, Briefumschläge, Formulare etc.
  • Eine Tafel, ein Flipchart oder Whiteboard laden Kinder ein, sich auszuprobieren. Ist etwas in den Augen der Kinder nicht so gelungen, kann es schnell wieder weggewischt werden!
  • das Stiftangebot reicht von unterschiedlich dicken Farbstiften, Kreiden, Bleistiften, Kugelschreibern hin bis zu Pinseln und Finger- und Wasserfarben
  • der Umgang mit der Schere, einem Spitzer und Klebstoff sollte früh ermöglicht werden
  • weitere Materialien wie Fäden, Bänder, Knöpfe, Schachteln, Verpackungen, Papierabfälle laden zum kreativen Handeln ein
  • die Werke (z.B. Kritzelzeichnungen) der Kinder als wertvoll einschätzen, im Beisein der Kinder lobend darüber sprechen und nicht als „Kritzelzeichnung“ entwerten; auch eine Kritzelzeichnung darf z.B. aufgehängt werden
  • Gespräche über entstandene Bilder initiieren, hierbei ist v.a. in der Anfangsphase die Frage nach „was ist das?“ eher irrelevant. Fragen wie „ist das Müffelmonster denn gefährlich?“, oder „lebt das Müffelmonster ganz allein in der Höhle?“ lassen die Erfahrungen der Kinder im Umgang mit den Malmaterialen bewusstwerden und zeigen Interesse in Bezug auf die entstandenen Werke
  • Vermeiden Sie Ausmalbücher bei Kindern, die sich mit dem Malen schwer tun; Ausmalbücher zwingen die Kinder in einer vorgegebenen Struktur zu malen und der Frust ist oft hoch, wenn dies nicht klappt
  • Ihr Kind sollte sich „motorisch austoben“ können; limitieren Sie digitale Bildschirmzeiten (max. 30min/Tag bei Kindern zwischen 4-6 Jahren)!
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Das Whiteboard lädt zum „Kritzeln“ ein. Verschiedene Formen sind erkennbar.

Verschiedene Werke mit unterschiedlichstem Material, die im Kindergarten „frei“ entstanden sind.

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