SchreibLernKONZEPT – 2. Schreiblernkonzept Marquardt Söhl

Das SchreibLernKonzept nach Marquardt / Söhl

Die Frage nach dem WARUM für ein schreibmotorisch orientiertes Konzept

Die Methodik des Schreibenlernens ist in eine Schieflage geraten. Soll die Handschrift überhaupt noch gelehrt werden? Ist Schreiben in Zeiten zunehmender Digitalisierung noch zeitgemäß? Wäre das Tippen auf einer Tastatur nicht der bessere Weg? Oder sind die Kinder motorisch ungeschickter geworden? Nur in drei Punkten sind sich die Verwaltungsvorschriften in den Lehrplänen der Bundesländer einig:

  1. Die Ausgangsschrift sind die Druckbuchstaben der gemischten Antiqua, die auch in den Lesebüchern verwendet wird.
  2. Eine verbundene Ausgangsschrift wird zeitversetzt im ersten oder zweiten Schuljahr eingeführt.
  3. Eine flüssige Handschrift kann nur mit einer verbundenen Ausgangsschrift erreicht werden.

Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der SchreibMotorikForschung und evidenzbasierte Daten belegen das Gegenteil. Das Schreibenlernen ist das Stiefkind einer methodisch-didaktischen Neuorientierung im Schriftspracherwerb. Es ist und bleibt ein Anhängsel diverser Fibellehrgänge und fernab aller wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit einer Ausnahme – dem Konzept der so genannten „Grundschrift“.

Die Grundlagen eines schreibmotorischen Lernkonzepts für die Phasen des Schreibanfangs, des Schreibfortschritts und des förderorientierten Schreibens:

1. Ein SchreibLernKonzept sollte auf die Förderung folgender Schlüsselkompetenzen ausgerichtet sein:

  • auf das Spuren von Buchstaben und Formen. Es führt zu einer erhöhten neuronalen Aktivierung (James und Engelhardt (2012)
  • auf die sensorisch-motorischen Erfahrungen beim Spuren mit der Hand. Es fördert das Lernen (Kiefer und Trumpp (2012)
  • auf das Training der Feinmotorik. Sie hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Mustern (Longcamp et al, 2005)
  • auf die Wertschätzung der Handschriftfähigkeiten. Sie beeinflussen die Lesefähigkeit positiv (Longcamp et al, 2006)
  • auf das handschriftliche Schreiben im Verlauf des SchriftSpracherwerbs. Es fördert die Rechtschreibung (Cunningham und Stanovich, 1990)

2. Ein Schreiblernkonzept sollte die Erkenntnisse aus der Bewegungswissenschaft und der Schreibmotorikforschung sowie erfolgreiche Ansätze aus der außerschulischen Praxis und Therapie (LRS-Landshut) mit erprobten motorisch-kinematischen Schreibansätzen im Unterricht und in der Förderung sowie Erfahrungen aus der Lehrerbildung zusammenführen.

3. Ein SchreibLernKonzept sollte grundsätzlich vom Können der Schüler ausgehen, die unterschiedlichen motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten von Anfang an aufmerksam beobachten und begleiten und diese als LernChance in einem „differenziellen“ Lernansatz begreifen. Selbstständiges und individuelles Lernen sind dabei Kennzeichen eines motivierenden und individualisierten Trainingskonzepts. Es gilt, die entwicklungsbedingten Voraussetzungen für das Schreibenlernen frühzeitig zu erfassen und begleitend zu fördern.

4. Ein SchreibLernKonzept sollte von Anfang an die kinematischen und schreibmotorischen Prozesse, alle Spur- und Schreibbewegungen in variativen Trainingsformaten anregen und fördern. Automatisierte Bewegungsabläufe sollten von Anfang an trainiert werden. Buchstaben werden bewegungseffizient entwickelt und in SchreibKontexten mit bewegungsgünstigen Teilverbindungen im Wort trainiert und geschrieben.

5. Kinder mit schreibmotorischen Problemen sollen durch ein SchreibLernKonzept ermutigt werden. Pädagogischen Maßnahmen orientieren sich ausschließlich am individuellen, schreibmotorischen Lernweg eines Kindes. Fachliche und kompetenzorientierte Aussagen in den Lehrplänen zum Schreiben geben eine Orientierung. Häufig entwickeln sich Teufelskreise im Lernen mit Symptomen wie erhöhter Unkonzentriertheit, hyperaktivem Verhalten oder beginnender Lese- Rechtschreibschwäche.

6. Ein SchreibLernKonzept sollte auf Hindernisse beim Schreibenlernen und auf Fehlentwicklungen hinweisen. Für viele Kinder ist z.B. das Schreiben von kursiven Buchstaben einfacher. Eine modifizierte Druckschrift eignet sich als Ausgangsschrift, um eine geläufige Handschrift mit Teilverbindungen zu entwickeln. Umwege über verbundene Ausgangsschriften führen insbesondere Kinder mit Schreibschwierigkeiten in eine Sackgasse. Die Kinder entwickeln automatisierte Fehlbewegungen bei Buchstabenabläufen, die Schrift zerfällt häufig und wird schwer lesbar. Positive Auswirkungen auf schulische Schlüsselkompetenzen bleiben dann aus.

7. Evidenzbasierte und förderdiagnostische Daten aus therapeutischen und außerschulischen Einrichtungen zeigen, dass sich mit einem individuell-begleiteten, motorisch orientierten SchreibLernKonzept Kinder wieder für das Schreiben gewonnen und begeistert werden können. SchreibLernwege öffnen sich und bleiben keine Sackgassen.

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