SchreibTrainingsKONZEPT – 2. Bewegungen vorausplanen

Bewegungsabläufe vorausplanen

Schreibmotorische Abläufe von Anfang an vorausplanen

Die mentale Vorausplanung schreibmotorischer Abläufe ist der zentrale „Schlüsselspieler“ im SchreibLernProzess. Es bedarf gezielter Trainingsphasen, damit das automatisierte Zusammenspiel von Teilprozessen der Schrift- und Textproduktion – leserlich und geläufig schreiben, einfache Schreibanlässe in Sätzen niederschreiben, gelernte Rechtschreibstrategien anwenden, Wörter aus dem mentalen Lexikon für schnelles Schreiben abrufen – so gelingt, wie automatisierte Spielzüge im Sport.

Dieses Zusammenspiel in der Schriftsprache führt häufig zu einem Dilemma im SchreibLernProzess, hier exemplarisch dargestellt am Beispiel von Dominik, 6. Jgst., Montessorischule. Er hat, wie viele andere Kinder auch, nach Abschluss des Schreiblehrgangs noch keine ausreichenden schreibmotorischen Fertigkeiten entwickelt; einerseits laufen die schreibmotorischen Prozesse noch weitgehend kontrolliert ab und die Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses sind weitgehend an die formgetreue Schreibausführung gebunden. Andererseits steigen die schreibtechnischen und schriftsprachlichen Anforderungen:

  1. beim Abschreiben von etwas Gelesenem und bei der Verschriftlichung von Gehörtem
  2. beim Erwerb einer grundlegenden Rechtschreibkompetenz und
  3. bei der Textproduktion. Gleichzeitig erweitern sich die Lerninhalte in den Lehrplänen und damit auch die Schreibanforderungen an die Kinder.

Diese Nahtstelle zwischen Schreiben und Textproduktion ist für einen erfolgreichen SchreibLernprozess besonders sensibel.

Eine unzureichend ausgebildete Schreibmotorik wird durch immer schnellere Schreibanforderungen zunehmend überfordert, die Formkontrolle von Buchstaben und Buchstabenverbindungen in der Schulausgangsschrift geht verloren, die Schrift wird unleserlich und die Schreibfehler häufen sich. Motivationseinbrüche, Schulunlust und ein beginnender Teufelskreis des Lernens sind mögliche Alarmzeichen.

Abb. Dominik, 6. Jgst., CS-Win, Arbeit 1

Abb. Dominik, 6. Jgst., CS-Win, Arbeit 2

Die Schreibanalyse von Dominik mit dem Programm CSWin zeigt die fatalen Folgen mangelnder Vorausplanung in der Schreibtechnik. Die beiden Wörter -„Arbeit 1“ / Arbeit 2“- wurden mit leicht erhöhtem Schreibdruck (1,60N / 1,67N) automatisiert (NIV 1,25 / NIV 1,27) und schnell (3,08Hz / 3,09Hz) geschrieben. Die Einzelbuchstaben „i“ und „t“ beginnen von unten, der „i-Punkt“ als Strich von oben.

Die beiden „b“ entgleisen in der Bewegungsausführung, in der Lupe bei „Arbeit 2“ sind die orientierungslosen Luftbewegungen des Stiftes als Punktbewegungen zu sehen.  Eigentlich verfügt Dominik über sehr gute motorische Grundfähigkeiten (Handgelenk NIV 1,00, Fingerbewegung NIV 1,25, Kringel NIV 1,00). Seine fehlerhaften Bewegungsabläufe wurden in sechs Schuljahren nicht korrigiert mit der Folge, dass sich seine schreibmotorischen Abläufe automatisiert haben. Die Strategie des schreibmotorischen Vorausplanens hat er nie gelernt und so dass er häufig im Wort zurückspringt, um z.B. halbfertige Buchstaben anzustückeln.

 

Abb. “b” aus Arbeit 1

Abb. “b” aus Arbeit 2

Ski- und Rodelprofis machen es vor. Sie gehen vor dem Start den Bewegungsablauf mit geschlossenen Augen gedanklich durch und bewegen ihren Körper aktiv. Dieses Beispiel erscheint Dominik nicht verschult und so lässt er sich auf das Trainingsziel der motorischen Vorausplanung ein, um Einzelbuchstaben in Wortzusammenhängen erfolgreich zu stabilisieren und zu optimieren.

Seit der Förderung schreibt er die Kleinbuchstaben überwiegend im richtigen Bewegungsablauf. Bei der schreibmotorischen Rekonstruktion von Wörtern erkennt er auch, wann ein Buchstabe linksoval zu schreiben ist. Um die Schreibstrategie über basale Wahrnehmungskanäle zu ritualisieren, sollte vor dem Schreiben immer der Buchstabe bzw. die Buchstabenfolge (sprechmotorisch) memoriert, der Bewegungsverlauf (visuomotorisch) auch mit geschlossenen Augen nachvollzogen und im Zweifelsfall sofort nachgefragt werden.

Gleiches gilt für die Luftbewegungen. Wo endet der Buchstabe und wie komme ich mit einem Luftsprung auf dem kürzesten Weg und so schnell wie möglich zur Anschlussstelle. Hilfreich ist es auch, wenn die Schreibhand, mit oder ohne Stift, den kinematischen Bewegungsabläufen folgt. Das Sprechen von Wörtern in Silben, das Nachspüren von Silbenbögen (akusto-motorisch) und das gezielte Unterscheiden von Buchstaben vertieft die Wortspeicherung im systemischen Zusammenspiel differenzierter Sinneseindrücke.

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