SchreibPROBLEME – 1. Schreibkrampf

Der Schreibkrampf

Ein Fallbeispiel

Frau K. ist 23 Jahre alt und befindet sich mitten in ihrem Jurastudium, welches ein sehr ausdauerndes und schnelles Schreiben mit der Hand erfordert. „Bereits nach zwei Minuten Schreiben verkrampft sich meine Hand und ich habe sehr starke und anhaltende Schmerzen im Daumen. Es ist mir kaum möglich mit der Hand weiter zu schreiben. Ich habe Angst, dass ich mein Studium nicht fortführen kann.”

Frau K. leidet unter einen Schreibkrampf. Menschen, die davon betroffen sind, haben einen hohen Leidensdruck und oft eine Odyssee an Diagnostik- und Behandlungsversuchen hinter sich.

Der Schreibkrampf

Der Schreibkrampf wird als eine fokale Dystonie beschrieben und als neurologische Störung eingestuft.  Er wird zu den tätigkeitsspezifischen Dystonien gezählt, da die Symptomatik an eine bestimmte Bewegungsaufgabe gebunden ist. Generell werden der einfache, der komplexe (dystone) Schreibkrampf sowie der Schreibkrampf mit Tremor unterschieden. Beim einfachen Schreibkrampf treten die Probleme nur beim Schreiben auf.

Beim dystonen Schreibkrampf sind auch andere Tätigkeiten wie z.B. die Benützung des Essbestecks, das Umrühren in einer Tasse, das Schreiben auf der Tastatur etc. betroffen. Weitere Beispiele für tätigkeitsspezifische Dystonien sind der Musikerkrampf (z.B. beim Geigen- oder Gitarrenspiel) oder der Golfkrampf.

Dystonien werden durch die Ausführung einer willkürlichen Bewegung (wie dem Schreiben) initiiert und sind durch anhaltende oder intermittierende Muskelkontraktionen (Muskelverkrampfungen) gekennzeichnet. Diese Muskelverkrampfungen treten sofort oder kurz nach Beginn des Schreibens auf. Das Handgelenk wird dabei entweder stark gebeugt, oder gestreckt, der Stift wird mit den Fingern gepresst gehalten, manchmal spreizt auch der Zeigefinger weg und der Stift kann nicht mehr gehalten werden.

Ursachen

Die Ursache für die Entstehung eines Schreibkrampfes ist immer noch nicht ganz geklärt. Genetische Veranlagung, tätigkeitsspezifische Triggerfaktoren (z.B. Überbelastung, Stress), Störungen der Bewegungssteuerung im zentralen Nervensystem sowie Dysfunktionen im motorischen und somatosensorischen Kortex werden aktuell als Ursache diskutiert.

Unsere Arbeitsgruppe geht davon aus, dass zumindest ein Teil des Schreibkrampfs durch Kompensationsversuche entsteht. Viele Menschen benützen oft schon seit ihrer Kindheit ungünstige Techniken und Haltungen beim Schreiben, ohne tatsächliche Schreibprobleme zu entwickeln. Kommt zu diesen Faktoren allerdings eine Phase großer und länger andauernder Überlastung (physisch und/oder psychisch), kann das dazu führen, dass sich – zum Beispiel durch schmerzbedingte Schonhaltungen – der längst automatisierte Schreibvorgang verändert und manche Bewegungen nicht mehr richtig funktionieren (siehe Grafik).

Lenkt der Schreiber dann auch noch Aufmerksamkeit auf diese Situation, verändert sich sein Verhalten und er „erwartet“ nun bereits, dass eine bestimmte Bewegung nicht mehr so gut geht. Erfüllt sich seine Erwartung, dann wirkt das wie ein negatives feedback und verstärkt das Verhalten weiter. Dabei werden dann auch Strategien eingesetzt, die zusätzlich negativ wirken. Die Bewegungen werden verlangsamt, die Anstrengung (Druck auf die Unterlage, Griffkraft auf den Stift) wird z. T. massiv erhöht und Gelenke werden stabilisiert, um den Vorgang besser kontrollieren zu können. Diese Strategien sind hilfreich, um z.B. eine neue Fertigkeit zu erlernen. Da der Schreibprozess beim Erwachsenen aber längst automatisiert ist, stören diese Verhaltensweisen den Ablauf und verhindern den Abruf der vorhandenen motorischen Leistungen.

Die Ursachen für die Entstehung des Schreibkrampfes sind vielfältig und noch immer nicht ganz geklärt. Unterschiedliche Prozesse können zu einem Art „Teufelskreislauf“ führen.

Zu diesen Problemen kommen weitere Faktoren wie Stress hinzu, die sich verstärkend auf die Schreibprobleme auswirken können. Hier ist vor allem der Stress gemeint, der sich auf die Schreibsituation bezieht – wie z.B. im Fallbeispiel von Frau K., die elementare Ängste hat, aufgrund ihrer Schreibprobleme ihr Studium nicht bewältigen zu können. Es gibt aber auch andere Beispiele, z.B. am Arbeitsplatz, wenn befürchtet wird, dass z.B. Vorgesetzte, Kollegen oder Kunden negative Rückschlüsse auf die fachliche Kompetenz ziehen, oder in öffentlichen Situationen, z.B. beim Ausfüllen von Formularen, wenn Angst vor Bloßstellung besteht.

Diagnostik und Therapie

Die Diagnostik des Schreibkrampfes sollten von spezialisierten Neurologen und Therapeuten vorgenommen werden.

Als medizinische Intervention kann die Injektion des muskelentspannenden Wirkstoffs Botulinumtoxin in die betroffenen Muskelgruppen eine Linderung der Beschwerden herbeiführen. Die Wirkung ist allerdings nur zeitlich begrenzt und häufig ist eine generelle Schwächung der Hand- und Armmuskulatur und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Feinmotorik in Kauf zu nehmen.

Mittlerweile nimmt die Physio- und Ergotherapie einen hohen Stellenwert in der Behandlung des Schreibkrampfes ein. Eine Möglichkeit ist hierbei das evaluierte motorische Schreibtrainingskonzept nach Mai und Kollegen.

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